Lancia Flavia: Italienisches Open Air

Mit dem Flavia hat Lancia das erste Cabrio seit Jahrzehnten herausgebracht. Das Format des Italieners mit US-Wurzeln ist groß, die Motorleistung allerdings nicht. Gemütliches Cruisen ist kein Problem, eine rasante Autobahnfahrt schon.

Lancia baut wieder ein Auto für die italienischen Momente im Leben. Zwar ist auch der neue Flavia, der seit Mitte Juni zu Preisen ab 36 900 Euro im Handel ist, nichts anderes als ein amerikanisches Auto mit italienischem Logo. Doch mehr als jedes andere Modell der noblen Fiat-Tochter steht der umgewidmete Chrysler 200 für Dolce Vita im sonnigen Süden. Denn der Flavia ist keine schnöde Limousine wie der Thema und kein nobles Familienauto wie der Voyager. Er ist ein Cabrio, mit dem man am liebsten gleich über die Hügel der Toskana, entlang der Amalfi-Küste oder mitten durch Rom fahren möchte. Bella Italia, wir sind schon unterwegs.

Konkurrenz zu Audi A5 und 3er BMW

Als erstes Lancia-Cabrio seit vielen Jahrzehnten steigt der Flavia gleich ganz oben in der Mittelklasse ein – zumindest beim Format. Denn mit fast fünf Metern Länge überragt er Konkurrenten wie den Audi A5 oder den 3er BMW deutlich. Beim Preis dagegen üben die Italiener vornehme Zurückhaltung: Mit 36 900 Euro bleibt der Lancia zum Teil mehrere Tausend Euro unter der Konkurrenz und glänzt zudem noch mit der besseren Ausstattung. So gibt es bis auf ein paar andere Farben für Karosse und Konsolen keine Extras. Details wie Ledersitze, Klimaautomatik oder Navigation sind entweder Serie, oder wie die meisten modernen Assistenzsysteme gar nicht lieferbar.

Dem üppigen Zuschnitt verdankt der Flavia ein großzügiges Platzangebot. Man muss in engen italienischen Städtchen zwar mit mehr Augenmaß fahren. Aber dafür können im schnörkellosen Flavia selbst hinten zwei Erwachsene bequem sitzen, nachdem sie erst einmal am vorderen Sessel vorbei geklettert sind. Auch der Kofferraum sieht riesig aus, fasst bei geschlossenem Dach aber allenfalls akzeptable 377 Liter. Ist die auch per Fernbedienung schließbare Stoffhaube binnen 28 Sekunden unter der Klappe verschwunden, reicht es nur noch für 198 Liter. Da bietet selbst der kleine Ypsilon mehr Platz.

Draußen Sturm, drinnen laues Lüftchen

Genießt man die italienische Open-Air-Partie in trauter Zweisamkeit, kann man hinter den Sitzen einen Windschott aufstellen. Dann noch schnell die Fenster hochsurren lassen, und durch den Innenraum weht selbst bei Autobahntempo nur ein laues Lüftchen. So kann man den Cabrio-Sommer selbst im kühlen Norden genießen.

Während der Flavia bei Format und Ausstattung von seinen amerikanischen Wurzeln profitiert, würde man sich beim Fahren mehr europäischen Charakter wünschen. Nicht nur Federung und Lenkung sind eher für die Straßen von Chicago als die von Catania gemacht und entsprechend weich und unbestimmt. Das ist beim Cruisen auf einer Küstenstraße ganz angenehm, macht aber kurvige Bergstrecken oder schnelle Autobahnabschnitte zur Herausforderung. Auch der Motor bleibt weit hinter den modernen Antrieben aus der alten Welt zurück.

Mehr Krach als Karacho

Noch in einer alten Allianz von Chrysler, Hyundai und Mitsubishi entwickelt, reicht es dem Vierzylinder bei stolzen 2,4 Litern Hubraum gerade einmal für 125 kW/170 PS. Mit Turbo und Direkteinspritzung braucht mancher VW-Motor dafür einen Liter Hubraum weniger. Und die genannte Leistung ist nicht viel, wenn man über eine träge Sechsgang-Automatik ein 1,9 Tonnen schweres Auto zu bewegen hat.

Weil von den ohnehin nur 220 Newtonmetern Drehmoment bis zu den Vorderrädern viel verloren geht, muss einem das Cabrio-Verdeck schon viel wert sein, um den Flavia zu genießen. Wer Zeit hat und ohnehin nur in die nächste Gelateria möchte, der stört sich nicht an den 10,8 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100, und will gar nicht wissen, wie lange der Lancia bis zum Spitzentempo von 195 km/h braucht. Aber wer nur die kleine Sommerfrische zwischen zwei Terminen sucht, ist schnell genervt von einem Motor, der mehr Krach als Karacho bietet.

Wie unglücklich die Wahl des Vierzylinders ist, merkt man auch an der Tankstelle: Schon auf dem Prüfstand braucht der Flavia üppige 9,4 Liter. Weil man aber versucht sein könnte, die fehlende Leistung mit einem Gasfuß zu kompensieren, muss im Alltag mit drei, vier Litern mehr gerechnet werden. Das zehrt schnell den Preisvorteil auf, der beim Kauf gegenüber den Europäern anfällt.

Fazit: Nur für den Urlaub, nicht für den Alltag

Er sieht ordentlich aus, bietet viel Platz, ist üppig ausgestattet und hat einen attraktiven Preis – auf den ersten Blick macht das den Flavia zu einer attraktiven Alternative unter den Mittelklasse-Cabrios. Doch mit seinem schlappen Motor und dem hohen Verbrauch taugt er allenfalls für die italienischen Momente im Leben. Nur ist eben leider nicht immer Urlaub.

(APA/dpa)

Kommentare sind geschlossen, aber trackbacks und Pingbacks sind offen.