Die „Berlin“ sticht wieder in See

Einst fuhr sie als „Traumschiff“ über die Weltmeere – heute ist die „FTI Berlin“ eher ein Relikt zwischen den Ozeanriesen neuester Generation. Doch ein gewisser Charme ist dem Dampfer nicht abzusprechen, auch wenn man Luxus und Chefhostess vergeblich sucht.

Es herrscht Stau auf dem A-Deck der „FTI Berlin“. Dort, wo an der Rezeption nach dem Einschiffen die Gäste begrüßt werden, wo sie an der gut gesicherten Tür bei Landgängen ein- und ausschiffen. Stau ist allerdings nicht, weil die „FTI Berlin“ in einem Hafen angelegt hat und die Passagiere auf den Landgang warten. Es ist kurz vor Mitternacht. Gleich öffnen die Türen zum Hauptrestaurant: Es ist Zeit für das „Buffet Magnifique“.

Die Damen und Herren Schiffsreisenden, die meisten im besten Rentenalter, beäugen die Menschen um sich herum kritisch. Vordrängeln soll sich schließlich niemand und am Ende noch den besten Blick auf das Mitternachtsbüfett erhaschen. Viele Passagiere halten schon ihren Fotoapparat im Anschlag, einige haben sogar eine Videokamera mitgebracht. Dann öffnen sich die Türen.

Drinnen: Lebensmittel in den interessantesten Farben und Formen und die versammelte Restaurant-Mannschaft hinter den Büfett-Tischen. Ananasschalen, geformt wie ein Alligator – und das in der Größe eines echten Baby-Reptils. Apfelschnitze, die arrangiert sind wie kleine Schwäne. Sülzen und Süßspeisen, Fingerfood in Variationen – und Fleisch, fast überall Fleisch. Ein fast ganzer, gegrillter Truthahn, dessen Füße hochkant in die Luft stehen. Kalter Aufschnitt, dekorativ angerichtet auf großen, verspiegelten Platten. Obst, Gemüse, Schokolade. Es gibt nichts, das es nicht gibt auf dem Büfett – knapp zwei Stunden, nachdem das reguläre Abendessen endete.

Aber die Gäste sind beeindruckt, zumindest eine Viertelstunde lang. Dann haben sie alles in Augenschein genommen und abgelichtet, der Restaurantchef hat das Büfett eröffnet – und das sechste Mahl an diesem Tag kann losgehen. Oder das erste des Folgetages. Denn eins ist klar auf der „FTI Berlin“: Für eine Diät ist dies der falsche Ort. Frühstücksbüfett auf dem Veranda-Deck und im Hauptrestaurant, ein Vormittagsimbiss für all jene, die länger geschlafen haben. Zu Mittag ein Menü, vier Gänge, danach Kuchenbüfett, gefolgt vom Abendmenü, fünf Gänge.

Das ist auf Kreuzfahrtschiffen nicht unüblich – es soll sogar Schiffsreisende geben, die Dampfer und Route anhand der Speisekarte auswählen. Doch diese „FTI Berlin“ ist ein besonderer Ort: Von 1986 bis 1998 fuhr die damalige MS „Berlin“ als „ZDF-Traumschiff“ über die Weltmeere. Mit den Urgesteinen des Fernseh-Dauerbrenners, der Chefstewardess Beatrice und dem smarten Chefsteward Victor, einem Kapitän Hansen und dem Schiffsarzt Dr. Schröder. Mit Drama und Herz-Schmerz, mit Captain’s Dinner und immer hübsch gewandeten Fahrgästen, die sich auch an den schönsten Orten den Welt mit großen Problemen plagten.

Auf der „FTI Berlin“ allerdings sieht es etwas anders aus: Die patente Chefhostess und den smarten Steward gibt es nicht – hier weiß Kreuzfahrtdirektor Andrej Belinskiy den Gästen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Der Kapitän heißt Sokos Thimios – und sogar ein Schiffsarzt ist an Bord: Dr. Wolf. Ein paar Gäste gibt es noch unter den rund 350 Passagieren, die nach dem Charme des alten „Traumschiffs“ suchen, zwischen der 200 Quadratmeter großen Bibliothek und dem Yacht Club, zwischen Veranda-Deck und Biergarten, dem Schwimmbad im Bauch des Schiffes und der Savannah Lounge. „Es gibt Passagiere, die damals schon auf der MS ‚Berlin‘ gefahren sind und sogar Bilder von dieser Reise mitbringen“, sagt der Kreuzfahrtdirektor.

Doch so recht will das elegante Fernsehgefühl nicht aufkommen auf dem fast 140 Meter langen Schiff – obwohl der Charme vergangener Tage allgegenwärtig ist. Die Farben Beige, Braun und Blau dominieren, die Möbel sind aus dunklem Holz und die Decken niedrig. Die Kabinen sind klein und haben keine Balkone. Man merkt an vielen Stellen, dass man nicht auf einem der ultramodernen Dampfer über die Weltmeere schippert, die eigentlich mehr eine kleine Stadt als ein Motorschiff sind. In den Häfen verschwindet die „FTI Berlin“ fast, wenn sie, eingeklemmt von einer „Aida“ und einer „Costa“, anlandet.

Es vibriert an Bord, die Schraube arbeitet. Ein Gefühl, das man auf den mehr als zehnstöckigen Riesenschiffen nicht mehr hat – denn dort ist durch einen technischen Trick der Antrieb so versteckt, dass die Vibration kaum noch da ist. Mit den Megalinern der aktuellsten Generation kann sich das frühere Traumschiff nicht vergleichen – „aber das soll es auch nicht“, sagt Falk-Hartwig Rost, Vertriebschef bei der eigens gegründeten Firma FTI Cruises.

Dieses Schiff ist für eine andere Klientel interessant: Für all jene, die zwar gern auf Kreuzfahrten gehen, aber mit 5.000 anderen Passagieren an Bord nichts anfangen können. Für die, die keine Dauerberieselung aus den Bordlautsprechern wollen und die nicht fließend Englisch sprechen, um sich mit den anderen Gästen an Bord unterhalten zu können. „Wir haben viele Erst-Kreuzfahrer an Bord“, sagt Belinskiy. Altersschnitt: Irgendwo um die 65.

Seit 21. Mai ist die „Berlin“ für FTI unterwegs im Mittelmeer: „Zeus“, „Athene“ und „Dionysos“ heißen die Touren, die von Italien aus zu den griechischen Inseln führen, teils mit Abstechern nach Dubrovnik oder Istanbul. 16 Mal wird die Berlin in diesem Sommer fahren, am 28. Oktober geht es über den Winter ins Rote Meer.

Erst in diesem Jahr hat FTI das Schiff erworben – und es gleich in See stechen lassen. Zuvor fuhr es als „Spirit of Adventure“ in der Flotte der Saga Cruises, nachdem es in der Zwischenzeit an einen russischen Kreuzfahrtanbieter verchartert war. 2005 hatte die Reederei Deilmann das Schiff verkauft, das bis 1999 im Dienst der ZDF-Serie stand und dann von der größeren und eleganteren MS „Deutschland“ abgelöst wurde.

Noch knirscht es ein bisschen an Bord des früheren Luxusdampfers, der heute keine Fünf-Sterne-Kategorie mehr erfüllen kann: Bordsprache ist Deutsch, aber nur die wichtigsten Positionen sind mit deutschen Muttersprachlern besetzt. Viele Mitglieder der Besatzung kommen aus Indien, ihnen geht das Englische flüssiger über die Lippen als die deutsche Sprache. Das passt manchem Passagier gar nicht.

„Wir müssen einiges noch verbessern“, sagt Kreuzfahrtdirektor Belinskiy. Aber er sieht in der „Berlin“ zahlreiche Vorteile, die andere Schiffe nicht haben. „Bei uns an Bord geht es sehr viel familiärer zu als woanders – nach drei Tagen kennt man sich.“ Service werde großgeschrieben, besonders die Freundlichkeit des Personals sei immens wichtig. „Unsere Gäste fühlen sich gut aufgehoben, und dann sehen sie auch über das eine oder andere hinweg.“ Auch ist der vermeintliche Nachteil der Größe aus seiner Sicht eher ein Vorteil: „Wir können Routen fahren, die für die Kreuzfahrtriesen nicht geeignet sind.“

(APA/dpa)

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