Historisches Saigon von der Abrissbirne bedroht

Für viele Vietnam-Touristen sind sie ein Fixpunkt: die historischen Gebäude in Ho-Chi-Minh-Stadt, dem früheren Saigon. Doch neue Büros und Shopping-Malls bedrohen die Kolonialstil-Romantik.

Das britische Touristenpärchen Sylvia und Paul irrt durch die Le-Loi-Straße in Ho-Chi-Minh-Stadt. In ihrem Reiseführer heißt es, dass sich hier einige typische Cafés in französischem Kolonialstil befinden sollen. Die Sache hat allerdings einen Haken: Ihr Buch ist schon zwei Jahre alt. Die Cafés wurden mittlerweile geschlossen. Statt der dekorativen Fassaden: Bauzäune. An ihrer Stelle sollen Luxuswohnungen entstehen. Kaffee gibt es nur noch in einer Filiale einer internationalen Coffeeshop-Kette. „Das ist alles sehr anonym“, meint Sylvia enttäuscht.

Das Verschwinden der Cafés ist kein Einzelfall. Von dem alten Saigon, das der amerikanische Autor Graham Greene in seinem Roman „Der stille Amerikaner“ beschreibt, ist nur noch wenig übrig. Die schmutzigen Gässchen mit den Art-déco-Cafés, alten Männern beim Würfelspiel und Mädchen in traditioneller Kleidung auf ihren Fahrrädern: Davon ist nichts geblieben.

Die französischen Fremdenlegionäre, die während des Indochina-Krieges in den 40er und 50er Jahren durch die Straßen von Saigon marschierten, würden die Stadt nicht wiedererkennen. Mit rasender Geschwindigkeit wandelt sich Ho-Chi-Minh-Stadt zur modernen asiatischen Metropole. Viele historische Gebäude mussten bereits dieser Entwicklung weichen. Touristen und Einwohner sorgen sich, dass vieles für immer verloren geht.

„Das Zentrum ist heute ganz anders als noch vor zehn Jahren“, sagt Pham Van Hung. Der 51-Jährige verdient sein Geld als Fahrer eines Fahrradtaxis. Er fährt Touristen vorbei an der Notre-Dame-Kathedrale mit ihrer rosafarbenen Fassade, dem historischen Gebäude des Volkskomitees und dem neoklassischen Opernhaus. Dazwischen finden sich immer mehr moderne Glasfassaden. „In 20 Jahren wird nichts mehr übrig sein“, sagt er. „Ich vermisse die alten Gebäude. Aber die Straßen sind jetzt besser.“

Die offiziellen Gebäude seien zurzeit vor dem Abriss sicher, meint Eric Burdette, der im Internet historische Gebäude der Stadt dokumentiert. Doch viele Privathäuser und Läden seien der Abrissbirne zum Opfer gefallen. Es fehle an Regeln zum Schutz alter Gebäude, sagt Duong Hong Hien von der vietnamesischen Architektenvereinigung. „Für die Regierung ist das Thema wichtig, aber sie braucht Hilfe – Leute, die feststellen können, welche Gebäude erhalten werden sollen und warum.“

Alles kein wirkliches Problem, meint dagegen Le Diem Hong vom Reisebüro Haivenu. Man könne immer noch viele historische Gebäude und Häuser im Kolonialstil im Zentrum von Saigon sehen. „Einige private Villen wurden vielleicht zerstört und durch neue Gebäude ersetzt, aber ich bin sicher, dass sind keine Meisterwerke kolonialer Architektur gewesen.“

Die jungen Urlauber Nick und Sarah stehen im chaotischen Verkehrsgetümmel vor dem historischen Ben-Thanh-Markt. Auch hier soll nebenan ein moderner Luxuskomplex entstehen. Er habe eine moderne Stadt erwartet, sagt Nick, ein Geschichtsstudent. „Es ist schade um die historischen Gebäude, aber es ist auch interessant, moderne Gebäude und Hochhäuser zu haben.“ Seine Begleiterin ist weniger begeistert: „Wenn sie hier alles abreißen, kann man gleich nach Bangkok fahren.“

INFO: Fotoblog „Old Saigon“ Eric Burdette: http://oldsaigon.tumblr.com

(APA/dpa)

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