Interrail und das Gefühl der großen Freiheit

Erst jobben, dann Interrailticket kaufen und vier Wochen auf Achse. Seit 40 Jahren kommen Jugendliche mit der länderübergreifenden Netzkarte zum Zug. Das Reiseangebot hat auch Europa gestärkt.

Die Idee ist im wahrsten Sinne des Wortes wegweisend: Als vor 40 Jahren ein findiger Kopf die europäischen Bahnlinien mit dem Interrail-Ticket vernetzt, hat er nicht nur die Reiselust der Jugend angefacht. Er hat auch den europäischen Gedanken befeuert. Jugendliche aus vielen Ländern sind sich in den Zugabteilen auf ihrem Weg kreuz und quer durch Europa nähergekommen – nachzulesen in ungezählten Berichten. Zusammengerechnet haben inzwischen laut einem Bahnsprecher fast acht Millionen Europäer den Interrail-Pass genutzt.

Das Ticket kam am 1. März 1972 auf den Markt. Für viele Jugendliche öffnete sich damit ein Tor zur Reisefreiheit: Mit der Netzkarte rückten Metropolen wie London, Paris, Madrid und Rom in greifbare und vor allem bezahlbare Nähe. In den großen Ferien wurde erst gejobbt und dann der Rucksack gepackt.

Im vergangenen Jahr verkaufte die Eurail Group im holländischen Utrecht – die Vermarkter von Interrail – 248.000 Pässe. Doch das Angebot ist kaum noch vergleichbar mit dem der Anfangsjahre. Die Kunden können jetzt unter einer Vielzahl von Möglichkeiten wählen. Der Preis ist abhängig davon, wie viele Länder bereist werden und an wie vielen Tagen der Zug genutzt wird. Je nach dem kostet die Karte für Jugendliche zwischen 175 und 422 Euro.

Diese Neuerungen wurden Stück für Stück eingeführt. Bereits 1976 hoben die Organisatoren das Mindestalter von 21 auf 23 Jahre an, drei Jahre später durften Studenten bis zum Alter von 26 Jahren fahren, 1999 schließlich fiel die Altersbegrenzung vollständig weg.

Auch das Geltungsgebiet wurde immer größer. Mit 20 europäischen Ländern fing es an und schon zwei Jahre später kamen Norwegen, Rumänien und Marokko hinzu. Inzwischen gilt das Ticket in 30 Ländern. Seit 1985 können zudem neben Zügen auch einige Schiffspassagen auf der Ostsee und im Mittelmeer genutzt werden.

Nicht bei allen Jugendlichen kam diese Ausdifferenzierung gut an. „Also für mich ist Interrail Vergangenheit. Ist die reinste Abzocke geworden, seit dem alles in Zonen eingeteilt wurde“, schreibt ein Nutzer in einem Reise-Forum. Ein anderer widerspricht: „Ist doch trotzdem eine Menge, was man mit so einem Ticket machen kann!“

Spätestens mit dem Aufkommen von Billigflügen hat Interrail seinen Sonderstatus verloren. Zudem ist das Rucksack-Image dahin, seit es Interrail für alle gibt, und das sogar mit 1. Klasse. Trotzdem greifen noch immer vor allem Jugendliche zu dem Angebot. Nach Angaben der Deutschen Bahn sind vier von fünf InterRailern unter 27 Jahre alt; der Anteil der „Junggebliebenen über 60 Jahre“ liegt bei etwa vier Prozent.

Um die Interrail-Gemeinde beisammen zu halten, organisiert die Bahn regelmäßig Stammtische, bei dem sich die Euro-Trotter austauschen können. Treffpunkt in diesem Jahr ist Berlin am 30. und 31. März. Dafür sucht die Bahn noch nach InterRailern der ersten Stunde. Zudem ruft sie dazu auf, spannende Geschichte einzuschicken (interrail@bahn.de). Sie sollen zum Jubiläumsjahr in einem Buch veröffentlicht werden.

(APA/dpa)

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