Neue Technologien verändern Handelswelt rasant

Elektronische Regaletiketten, Self-Checkout und das Bezahlen mit dem Handy an der Supermarktkassa lassen zwar noch auf sich warten, neue Medien, Web 2.0 und das dadurch veränderte Einkaufsverhalten haben aber bereits jetzt massive Auswirkungen auf die heimische Handelswelt, erklärten Experten bei einer Podiumsdiskussion der APA-E-Business-Community in Wien.

„Der Einfluss der Handelsketten, Marken und Werbung sinkt. Die Konsumenten erhalten den Eindruck, die Kontrolle zu haben, und die Loyalität nimmt ab“, sagte Robert Madas vom Marktforscher GfK Austria. Bis vor kurzem habe das Marketing die Zügel in der Hand gehabt, jetzt gebe es neben TV, Radio und dem Point of Sale auch Internet, Handy und digitale Mund-zu-Mund-Propaganda. All diese Kategorien würden intensiv genutzt. „Ich kann mir daher als Hersteller oder Händler nicht erlauben, in einem dieser Bereich nichts zu tun“, so Madas.

Unternehmen und unabhängige Medien seien nicht mehr die Herren der Kommunikation. Vielmehr gewinne das Thema Social Media an Bedeutung. „Rund 3,2 Millionen Österreicher nutzen diese Netzwerke. Eine Million ist Fan eines Unternehmens, ist also von sich aus aktiv auf ein Unternehmen zugegangen“, sagte Madas. Außerdem habe sich durch Internet, iPhone und Co. eine neue Shopper-Schicht gebildet, der knapp 30 Prozent der Bevölkerung angehören: die „Extrem-Einkäufer“. Sie nutzen neue Medien intensiv und suchen gezielt und häufig, um die richtigen Produkte und Dienstleistungen zum vorteilhaftesten Preis-/Leistungsverhältnis zu finden.

Im Bereich Social Media seien inzwischen alle großen Handelsunternehmen aktiv, bestätigte auch Chris Budgen vom Webconsulter diamond:dogs. Wenn jemand aufgrund der Billa-Werbung denke, dass den Kälbern die „Heu-Milch“ weggenommen werde, um sie zu verkaufen, könne man auf Facebook auf diese Falschinfo reagieren. Diskutiert worden wäre über den Vorwurf auf alle Fälle, so der Experte. Als Marketinginstrument und zur Imagepflege sieht er Handy-Anwendungen (Apps) auf dem Vormarsch. „Jeder vierte bis fünfte iPhone-Besitzer in Österreich nutzt die Billa-App.“

Warten auf mobile Geldbörse

Einen Trend der Zukunft sieht Budgen auch darin, Ware online zu bestellen und vom Supermarkt das fertige Paket abzuholen. Bei ortsbezogenen Diensten hinke Österreich – auch aufgrund der rechtlichen Problematik – hinterher. Couponing-Systeme auf dieser Basis würden ebenfalls noch auf sich warten lassen. Die Konsumenten seien derzeit nicht bereit, Daten wie den Aufenthaltsort herzugeben, auch wenn sie dadurch Vorteile lukrieren könnten. Das Thema Nahfunktechnik (NFC) – durch die das Handy zur mobilen Geldbörse wird – sieht er derzeit stark gehypt, noch fehle es aber an entsprechenden Endgeräten und Anwendungen.

„Wir brauchen Lösungen, die wirklich funktionieren. Vieles ist noch unausgereift“, bemängelte Andreas Kranabitl von Spar Österreich. Großes Interesse bestehe derzeit an elektronischen Preisetiketten am Regal. „Aber dazu müssten die Kosten von derzeit über zehn auf fünf bis sechs Euro sinken“, so Kranabitl. Außerdem gebe es bestimmte Designansprüche. Mit entsprechenden Etiketten könnte automatisch der Preis reduziert werden, wenn das System anzeigt, dass der Bestand an bestimmten Frischwaren – etwa Bananen – zu hoch sei. „Am Abend geht es dann vielleicht in Richtung gratis. Das ist immer noch besser als die Ware wegzuwerfen.“

Mängel beim Self-Checkout

Auch beim Self-Checkout gebe es noch Hindernisse, weil die Bargeld-Module noch zu fehleranfällig seien – „das ist für den Kunden nicht akzeptabel“. Wenn man das Modul ausschalte, würde die Nachfrage schlagartig um die Hälfte sinken, weil „die Österreicher nicht bereit sind, bargeldlos zu bezahlen“. Auch bei den Informationsterminals in der Weinabteilung habe es teilweise technische Probleme gegeben, zudem seien die Infos nicht aktuell gewesen, deshalb habe man sie wieder abgebaut.

Kein Händler werde eine Technologie einsetzen, die nicht perfekt funktioniert, bestätigte auch Rene Tritscher von der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich. Bei NFC gebe es beispielsweise noch einige Probleme – abgesehen von den fehlenden Endgeräten. Große Veränderungen beim Einkaufsverhalten führt auch Tritscher vor allem auf neue digitale und interaktive Kommunikationswege zurück.

Lehrlinge finden via Facebook

„Konsumenten tauschen sich mit Gleichgesinnten aus und können dabei eine erhebliche Reichweite erzielen, etwa auf Bewertungsplattformen wie Qype oder via Facebook und Twitter“, so der Branchenkenner. Diese Angebote zu beobachten und im besten Fall selber zu nutzen, könne nicht nur dazu dienen, einer schlechten Reputation im Internet entgegenzuwirken, sondern auch Kunden besser zu informieren oder beispielsweise Lehrlinge zu finden.

Für Rene Eres von Ericsson Austria stehen im Handel künftig neben Empfehlungen auch kundenspezifische Daten und deren Nutzung im Vordergrund. Sie würden einen Mehrwert für beide Parteien darstellen. Vorbehalte sieht er differenziert. „Wenn ich eine Kundenkarte nutze, kennt das Unternehmen auch meinen Standort und weiß zudem, was ich eingekauft habe“, sagte er. „Für 50 Cent billigere Spaghetti“ würden Informationen bereitwillig hergegeben. Ein neues „Erlebnislevel“ erwartet sich Eres von NFC-Terminals und der nahtlosen Integration von mobilen Endgeräten.

(APA)

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