Am Nasser-Stausee trifft Pharao auf Neuzeit

„Das Königreich der Nubier erstreckte sich einst von Assuan im Norden am Nil entlang bis nach Khartum im Süden“, erklärt Mohamad. Stolz erzählt der Touristenführer davon, dass auch in seinen Adern zumindest zur Hälfte nubisches Blut fließt. Als vor rund 40 Jahren der Assuan-Staudamm Sadd El-Aali gebaut und der Nil aufgestaut wurde, mussten viele Nubier ihr Land verlassen und zogen nach Assuan oder Kom Ombo. Der Staudamm verwandelte den Nil im Süden Ägyptens in den rund 500 Kilometer langen Nasser-Stausee. An den breitesten Stellen sind es von Küste zu Küste mehr als 35 Kilometer. Benannt wurde der See nach dem ehemaligen ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser.

Durch das Baumgrün fällt der Blick auf das „Old Cataract Hotel“, in dem Agatha Christie Teile von „Tod auf dem Nil“ schrieb. Unten gleiten Felukken mit geblähten Segeln den Fluss entlang. Die Abendsonne taucht die Elephantine-Insel in goldrotes Licht – kein Wunder, dass die Krimi-Königin ihren Meisterdetektiv Hercule Poirot gerne in diese Landschaft schickte. Leise stampfen die Motoren und lassen das Schiff vibrieren, als es in der Morgendämmerung aus dem Hafen von Assuan gleitet.

Amada, Wadi es-Sebua und Qasr Ibrim: All diese Denkmäler aus der Pharaonenzeit sind nur noch per Schiff zu erreichen. Außer im Hafen von Assuan findet am Nasser-Stausee aber noch jedes Schiff einen eigenen Anlegeplatz. Auf dem Nil hingegen liegen in der Hochsaison bis zu zehn Schiffe in einer Reihe. Da sind beim An- und Ablegen schon Organisationstalent und beim Kapitän eine ruhige Hand gefragt.

Auch sonst unterscheidet sich die Fahrt auf dem See von einer Nilkreuzfahrt. Auf den Uferstreifen am Nil bearbeiten die Bauern die Felder wie vor Generationen mit Spitzhacken, die Uferlinie des Nassersees zeigt hingegen Wüste, aber keine menschliche Siedlung. Ein Sprung in den See ist zur Abkühlung nicht ratsam: In den Fluten fühlen sich die Nilkrokodile sehr wohl.

Abu Simbel ist für alle an Bord der Höhepunkt der Reise. Die Tempelanlage liegt heute rund 60 Meter höher als zu ihrer Bauzeit vor mehr als 3.000 Jahren. Wenige Kilometer vor der sudanesischen Grenze arbeiteten in den 1960er Jahren Wissenschaftler und Ingenieure vier Jahre lang daran, den Tempel von Pharao Ramses II. und den kleineren Hathortempel seiner Gemahlin Nefetari vor den Wasserfluten zu retten.

In dem Tempel, heute Unesco-Weltkulturerbe, hoffte Pharao Ramses II. göttergleich in alle Ewigkeit zu leben. Alle vier Felskolosse am Tempeleingang tragen sein Gesicht. Fast lebensecht wirken die Zeichnungen des Pharaos auf den Wänden im Inneren. Sie zeigen Ramses II., wie er den Bogen spannt oder einen Gegner niederstreckt. Immer niedriger senken sich die Decken, immer kleiner werden die Räume, bis der Besucher schließlich im Sanktuarium der heiligen Barke des ewigen Lebens und erneut Ramses, diesmal als Gottheit, gegenüber steht. Zwischen Wasser, Wüste und Himmel scheint die Pharaonenzeit plötzlich lebendig zu sein.

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(APA)

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