Das Medienjahr 2009

Sah es zu Jahresbeginn noch so aus, als würden Generaldirektor Alexander Wrabetz und sein Team politischen Machtinteressen zum Opfer fallen, konnten sie ihre Stellung im Laufe der Monate nicht nur mangels Personalalternativen, sondern auch dank eines gravierenden Struktur- und Sparkonzepts behaupten. Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (V) hatte noch zu Jahresbeginn laut und deutlich die Ablöse der Geschäftsführung gefordert, auch Kanzler Werner Faymann (S) ließ offen, „ob die handelnden Personen die richtigen sind“. Die Suche nach Alternativen – hier kursierten Namen von TV-Chefredakteur Karl Amon bis zum Chefredakteur des Landesstudio Niederösterreich, Richard Grasl, – blieb aber erfolglos.

Breite Kritik wegen politischer Einmischung

Umso größer war der mediale und öffentliche Aufschrei angesichts der offenen Einmischung der Politik beim öffentlich-rechtlichen Sender. Journalisten und die Plattform SOS-ORF wehrten sich gegen „politisches Stalking“, und mit „Rettet den ORF!“ erschien eine neue Plattform auf der Bildfläche, um unter der Federführung des ehemaligen ORF-Generalintendanten Gerd Bacher für die Unabhängigkeit des ORF zu kämpfen.

Derart in den öffentlichen Fokus geraten, bekam Wrabetz wieder Oberwasser, als Anfang April der ORF-Stiftungsrat in einer gemeinsamen Resolution über alle Parteigrenzen hinweg die Einleitung „sofortiger Einsparungsmaßnahmen mit dem Ziel eines bereits im Jahr 2010 ausgeglichenen Konzern-EGTs“ forderte. Mit der Resolution im Rücken konnte sich Wrabetz im Oktober mit dem Zentralbetriebsrat auf ein Sparpaket einigen, das unter anderem eine Nulllohnrunde für 2010 sowie Einschnitte bei bestehenden Alt-Verträgen vorsieht und dem ORF Einsparungen von 22 Millionen Euro bringen soll. Weiters sollen bis 2011 laut Plan 440 Mitarbeiter den Sender verlassen.

Gebührenrefundierung gegen Personalrochade

Ebenfalls im Oktober beendete die EU-Kommission ihr ORF-Beihilfeverfahren: Österreich verpflichtete sich zu einer ORF-Gesetzesänderung, im Gegenzug akzeptierte die Kommission die Finanzierungsregelung des öffentlich rechtlichen Senders. Kritiker bemängelten, dass damit sowohl Programmangebot als auch Werberegelungen im Grunde unangetastet blieben. Kurz nach der Einigung auf EU-Ebene konnten sich auch die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP zu einem gemeinsamen ORF-Gesetz durchringen, das allerdings ebenfalls nur geringe Änderungen vorsieht. Wesentliche Neuerung: Der ORF erhält in den nächsten vier Jahren von der Regierung 160 Mio. Euro, die ihm durch die Gebührenbefreiung sozial Schwacher entgehen, und muss im Gegenzug öffentlich-rechtliche Kernaufgaben fortführen bzw. ausbauen. Kolportiert wird, dass die ÖVP die Gebührenrefundierung an einen Personalwechsel in der Kaufmännischen Direktion geknüpft hat – dort räumte jedenfalls Sissy Mayerhoffer unmittelbar nach Bekanntwerden der Einigung ihren Platz. Nachfolger wurde im Dezember Richard Grasl.

Nicht zustande gekommen ist die von der Großen Koalition zum Amtsantritt angedachte Reform der ORF-Gremien. Selbst die umstrittene Faxwahl der ORF-Publikumsräte bleibt erhalten. Nebeneffekt: Die SPÖ könnte sich im Jahr 2010 sowohl im Publikums- als auch im Stiftungsrat die absolute Mehrheit holen und so den nächsten ORF-Generaldirektor im Alleingang bestellen.

Prenner in der Enterprise

Ein schwarzes Jahr war 2009 für den ORF in Sachen Werbeeinnahmen. Laut Focus-Medienforschung lagen die Bruttoeinbußen beim öffentlich-rechtlichen Sender bei über zehn Prozent, während die Privatsender ein leichtes Bruttowachstum verbuchen konnten. Der ORF trennte sich im November denn auch vom Chef der Vermarktungstochter Enterprise, Walter Zinggl, und griff nach Bewährtem: Im Dezember wurde der Ex-Mediaprintmanager und langjährige ORF-Werbechef Franz Prenner zum Geschäftsführer der Enterprise bestellt.

Für mediales Aufsehen sorgte der Wechsel von ATV-Quotenzugpferd Dominic Heinzl zum ORF. Ab Jänner soll der Society-Schreck siebenmal pro Woche Österreichs Prominenz ausrichten und den ORF 1-Vorabend quotenmäßig auf Vordermann bringen. Apropos Quoten – die gingen beim ORF im Jahr 2009 einmal mehr nach unten: Bis einschließlich November kamen die ORF-Sender in den Kabel- und Satellitenhaushalten auf 36,9 Prozent Marktanteil bei den Zusehern ab zwölf Jahren – ein Minus von 2,4 Prozentpunkten. Die heimischen Privatsender konnten dagegen zulegen: ATV kletterte von 2,6 auf 3,1 Prozent und hatte mit „Bauer sucht Frau“ einen wahren Quotenrenner im Programm. Puls 4 traf mit der ersten Ausgabe von „Austria’s next Topmodel“ den Geschmack der Zuseherinnen und steigerte sich von 0,8 auf 1,6 Prozent. Zugewinne gab es auch für die deutschen Privatsender mit Ausnahme von Sat.1 und ProSieben.

Engpässe bei Austria 9

Trotz geringer Quotenzuwächse von 0,3 auf 0,6 Prozent befand sich Austria 9 heuer im finanziellen Engpass und machte sich auf die Suche nach neuen Investoren. Nachdem Hauptgesellschafter Hubert Burda Media, der mehr als 87 Prozent am Sender hält, kein weiteres Geld mehr in das österreichische Projekt investieren wollte, übernahmen Geschäftsführer Conrad Heberling und sein Schwager Josef Andorfer den Sender im Dezember selbst.

Anfang Oktober startete – quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne jegliches Vorabmarketing – Dietrich Mateschitz‘ neuer Privatsender Servus TV. Der Salzburger Sender, der österreichweit vor allem über DVB-T und Digitalen Satellit empfangbar ist, holte sich eine Reihe namhafter Medienleute an Bord. Zuletzt wechselte Puls 4-Geschäftsführer Martin Blank zu Servus TV. Trotz der aufwendig und professionell gestalteten Sendungen kann der Kanal noch kaum Zuseher verzeichnen – ein Manko dürfte sein, dass der Red-Bull-Sender nicht im analogen Kabel vertreten ist.

Printbranche stöhnt unter Werbekrise

Vor und wieder zurück hieß es im Jahr 2009 bei Styria Media Group und Moser Holding mit deren Doch-Nicht-Fusion sowie bei WAZ und „Kronen Zeitung“, bei deren Beteiligungsverhältnissen schließlich doch alles beim Alten blieb. Sämtliche Printprodukte stöhnten unter den Folgen der Finanzkrise, die beinahe allen Titeln drastische Werbeeinbußen bescherten und sie zu Sparmaßnahmen zwangen. Frischen Wind gab es vor diesem Hintergrund für die Verhandlungen zwischen Verlegern und Journalistengewerkschaft über einen neuen Medien-KV.

Für große mediale Aufmerksamkeit sorgte die Ankündigung der Styria, ihre Regionalmedien mit der Tiroler Moser Holding fusionieren zu wollen. Durch dieses Joint Venture wäre Österreichs mit Abstand größter Medienverlag entstanden. Im Dezember ließen die Familie Moser den Deal unerwartet und ohne Angabe konkreter Gründe platzen. Keine Auswirkung soll das Scheitern der Fusion auf die seit April bestehende Kooperation zwischen den Verlagshäusern im Bereich der Regionalmedien AG haben, mit der die beiden Häuser einen österreichweiten Gratiszeitungsring gebildet haben.

Aus für Sonntagsrundschau, TT bleibt großformatig

Ein bewegtes Jahr hat die Moser Holding auch hausintern hinter sich. Pläne, den Tiroler Platzhirschen, die „Tiroler Tageszeitung“, im Kleinformat erscheinen zu lassen, wurden im August wieder ad acta gelegt. Im November musste der Verlag das Aus der oberösterreichischen „Rundschau am Sonntag“ bekanntgeben. Versuche, den Titel Anfang August als Kaufzeitung zu etablieren, waren zuvor gescheitert.

Die Styria wagte sich hingegen in der Krise mit einem neuen Sonntagstitel – der „Presse am Sonntag“ – auf den Markt. Betreut von den Redakteuren der „Presse“ und ohne zusätzliches Personal war die siebente Ausgabe der Qualitätszeitung am 15. März erstmals erschienen.

WAZ und Krone noch immer verehelicht

Ein 50-jähriges Jubiläum feierte heuer die „Kronen Zeitung“ mit ihrem Herausgeber Hans Dichand, der die Zeitung im April 1959 übernommen hatte. Als Jubiläumsgeschenk gönnte sich die größte Zeitung des Landes ein neues Frauen- und TV-Supplement und verleibte sich das von Eva Dichand ins Leben gerufene Gratismagazin „Live“ ein. Die laut angedachte Scheidung zwischen den „Krone“-Hälfteeigentümern, der deutschen Verlagsgruppe WAZ und Hans Dichand, wurde im letzten Moment doch noch abgeblasen – Grund: Die Preisvorstellungen lagen zu weit auseinander.

Nicht zum Feiern zumute war im Jahr 2009 der Mediaprint, in der die verlegerischen Aktivitäten von „Kronen Zeitung“ und „Kurier“ gebündelt sind. Die Mediaprint legte sukzessive ihren Anzeigenkauf zurück, um sich künftig nur mehr auf Druck und Vertrieb der Printtitel zu konzentrieren. In dem Zusammenhang verließ auch Franz Prenner, Vertreter der „Kronen Zeitung“ in der Mediaprint, das Unternehmen und ging zu seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem ORF, als Leiter der Werbetochter Enterprise zurück. Mit Jahresende stieg die Mediaprint bei der „Kärntner Tageszeitung“ aus, eine Kooperation ging der Verlag hingegen mit den „Salzburger Nachrichten“ ein und legte die Hauszustellung von „Krone“, „Kurier“ und „SN“ zusammen.

Streit um Kollektivverträge

Nicht zuletzt unter dem Druck der Werbekrise wollte das „WirtschaftsBlatt“ seine Redaktion neustrukturieren und sie in eine Agentur und damit in den kostengünstigeren Gewerbe-Kollektivvertrag ausgliedern. Das zunächst für Oktober angekündigte Vorhaben wurde immer wieder verschoben und zuletzt „on hold“ gestellt. Diskussionen um die Einführung neuer Dienstverträge gab es auch in der APA – Austria Presse Agentur, gegen Jahresende wurde ein Kompromissvorschlag vorgelegt.

In Schwung kam vor diesem Hintergrund die Verhandlung über einen neuen Medien-Kollektivvertrag. Die Verleger wollen weniger automatische Gehaltssteigerungen und flexiblere Kündigungsfristen. Eine Einigung gab es nach jahrelangem Tauziehen in Sachen Presserat, auf dessen Errichtung sich Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ), Journalistengewerkschaft und Vertreter des Vereins der Chefredakteure im Dezember einigten.

Unterberger musste Göweil Platz machen

Für Aufsehen sorgte die Ablöse von Andreas Unterberger als Chefredakteur der „Wiener Zeitung“. Er wurde Anfang November noch vor Auslaufen seines Vertrags durch Reinhard Göweil, damals Wirtschafts-Ressortleiter der Tageszeitung „Kurier“, ersetzt. ÖVP und Opposition übten in Folge dessen heftige Kritik am Vorgehen des „Wiener Zeitungs“-Eigentümervertreter Bundeskanzler Werner Faymann (S), in dessen Zuständigkeit die Bestellung der Chefredaktion fällt.

(APA)

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